Das Wichtigste in Kürze
Die Krankenkassen finanzieren keine speziellen Sport-Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen wie z.B. Prothesen oder Rollstühle, aber eventuell übernimmt diese Kosten der Träger der Eingliederungshilfe oder ein anderer Reha-Träger als Leistung zur sozialen Teilhabe. Zu den Leistungen zur sozialen Teilhabe zählt auch notwendige Freizeitassistenz. Das ist eine Person, die den Menschen mit Behinderung in der Freizeit unterstützt, also z.B. beim Sport. Für Menschen mit Behinderungen gibt es viele spezielle Sportangebote, Sportverbände, Sportvereine, Wettkämpfe und Sportfeste. Besonders bekannt sind die internationalen Paralympics und Special Olympics.
Kostenübernahme für Sportangebote
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für ärztlich verordneten Reha-Sport und Funktionstraining. Wenn diese Sportangebote im Zusammenhang mit einer anderen Reha-Maßnahme oder kurz danach stattfinden, dann finanziert sie der Kostenträger, der auch die Reha gezahlt hat, z.B. der Rentenversicherungsträger.
Freizeitsport für Menschen mit Behinderungen müssen diese aber selbst bezahlen, z.B. den Vereinsbeitrag für einen Parasportverein bzw. Behindertensportverein oder die Kosten für einen Sportkurs. Das liegt daran, dass die Kosten nicht behinderungsbedingt sind. Auch Menschen ohne Behinderungen müssen für Sportvereine und Sportkurse bezahlen.
Wer übernimmt die Kosten für Sport-Hilfsmittel?
Die Krankenkassen übernehmen in der Regel keine Sport-Hilfsmittel wie z.B. Sportprothesen oder Sport-Rollstühle. Anders als z.B. ein Alltagsrollstuhl oder eine Alltagsprothese sind sie nämlich in der Regel nicht notwendig, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Das ist aber Voraussetzung dafür, dass die Krankenkassen die Kosten für ein Hilfsmittel übernehmen.
Die Kosten können aber in vielen Fällen als Leistung zur sozialen Teilhabe von einer anderen Stelle übernommen werden, normalerweise vom Träger der Eingliederungshilfe. In besonderen Fällen kann aber ein anderer Träger zuständig sein:
- Unfallversicherungsträger: bei einer Behinderung durch einen Arbeitsunfall (inklusive Wegeunfall) oder eine Berufskrankheit
- Träger der sozialen Entschädigung: wenn ein Anspruch auf soziale Entschädigung besteht, z.B. bei einer Behinderung auf Grund einer Gewalttat oder durch einen Impfschaden
- Träger der Kinder- und Jugendhilfe vertreten durch das Jugendamt: bei Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung
Menschen mit Behinderung bekommen nur dann ein Sport-Hilfsmittel als Leistung zur sozialen Teilhabe, wenn es dafür geeignet und notwendig ist, dass der Mensch mit Behinderung gleichberechtigt und selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilhaben kann. Viele Kostenträger sind der Meinung, dass das nur gegeben sei, wenn es um gemeinschaftlichen Sport geht, z.B. in einem Sportverein oder einer Sportgruppe. Sport-Hilfsmittel für Sport, der allein ausgeübt wird, werden deswegen in der Regel abgelehnt. Das sei keine Eingliederungshilfe.
Das hat auch das Sozialgericht Mannheim bestätigt (Urteil vom 22.05.2024, Az.: S 9 SO 1473/23), aber das heißt nicht, dass Menschen mit Behinderungen nicht versuchen können, auch für allein betriebenen Sport ein Sport-Hilfsmittel als Leistung zur sozialen Teilhabe zu bekommen. Andere Sozialgerichte können die Situation anders einschätzen, solange das Bundessozialgericht darüber noch nicht entschieden hat. Wer versuchen möchte, ein Sport-Hilfsmittel für allein betriebenen Sport zu bekommen, kann es mit folgender Argumentation versuchen:
- Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und Gleichberechtigung mit Menschen ohne Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen dürfen nicht nur Sport in Gruppen betreiben, sondern auch Sport für sich allein.
- Auch allein betriebener Sport ist in unserer Gesellschaft üblich, deswegen ist es eine Form von gesellschaftlicher Teilhabe, wenn auch diese Form von Sport für Menschen mit Behinderungen möglich ist.
Freizeitassistenz
Freizeitassistenz ist Unterstützung durch eine Assistenzperson (Näheres unter Assistenzleistungen) bei Freizeitbeschäftigungen, also auch beim Freizeitsport. Auch eine Freizeitassistenz gehört zu den Leistungen zur sozialen Teilhabe, so dass meist der Träger der Eingliederungshilfe für die Kostenübernahme zuständig ist. Ansonsten kann in besonderen Fällen auch der Unfallversicherungsträger, der Träger der sozialen Entschädigung oder der Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sein.
Auch Freizeitassistenz wird nur bewilligt, wenn sie der gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dient. Deswegen ist es auch hier wahrscheinlich, dass sie abgelehnt wird, wenn es um Sport geht, der allein betrieben wird, aber es kann sich trotzdem lohnen, zu versuchen, die Assistenz dafür zu bekommen.
Wer versuchen möchte, Assistenz für allein betriebenen Sport zu bekommen, kann so argumentieren:
- Im Gesetz steht, unter anderem, dass Assistenz zur "selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages" erbracht wird und dass sie "die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten" umfasst (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
- Das Bundessozialgericht schreibt zur Definition von Freizeit in diesem Zusammenhang in einem Urteil: "In ihrer Freizeit können Menschen [...] sportlichen [...] Aktivitäten individuell oder gemeinschaftlich nachgehen" (Urteil vom 19.05.2022, Az.: B 8 SO 13/20 R, Randnummer 15). Das bedeutet, dass Assistenz auch für individuellen Sport gezahlt werden muss, also für Sport, der allein betrieben wird.
Widerspruch und Klage
Sport-Hilfsmittel und Freizeitassistenz für Sport werden oft abgelehnt, obwohl ein Recht darauf besteht. Dann helfen ein Widerspruch und ggf. eine Klage. Sie sind für die Betroffenen kostenlos.
Wer anwaltliche Hilfe dafür braucht, muss diese allerdings grundsätzlich erst einmal bezahlen. Der Kostenträger, der die Leistung rechtswidrig verwehrt hat, muss die Anwaltskosten hinterher aber erstatten. Wer sich das nicht leisten kann, kann für das Widerspruchsverfahren Beratungshilfe und für gerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe beantragen.
Parasport und inklusiver Sport
Parasport ist Breitensport und Leistungssport, der von Menschen mit Behinderungen betrieben wird. Eine andere Bezeichnung dafür ist Behindertensport. Es gibt viele Vereine, in denen Parasport in den verschiedensten Sportarten und auf verschiedenen Leistungsniveaus trainiert werden kann.
Internationaler Parasport
Es gibt verschiedene wichtige internationale Wettkämpfe und Sportorganisationen für Menschen mit Behinderungen:
- Paralympics und IPC-Weltmeisterschaften: So wie auch die Olympischen Spiele, sind die Paralympics internationale Sportwettkämpfe. Sie werden vom "International Paralympic Committee (IPC)" organisiert.
Bei den Paralympics gibt es ein Klassifizierungssystem, das möglichst große Chancengleichheit bei den Wettkämpfen ermöglichen soll. Für die verschiedenen paralympischen Sportarten gibt es Klassen, in welche Sporttreibende nach der Art ihrer Behinderung eingeteilt werden. Dabei gibt es 3 grobe Klassen: körperliche, geistige und Sehbehinderung. Von 2000 bis 2012 waren Menschen mit geistiger Behinderung (Intelligenzminderung) von den Paralympics ausgeschlossen, weil zuvor einige Teilnehmende eine geistige Behinderung vorgetäuscht hatten.
Das deutsche Team der Paralympics stellt sich unter www.teamdeutschland-paralympics.de vor. Die offizielle Internetpräsenz der Paralympics und des IPC ist www.paralympic.org. Das IPC organisiert neben den Paralympics auch verschiedene Weltmeisterschaften in bestimmten Sportarten. - Special Olympics: Die Special Olympics sind eine internationale Sportbewegung für Menschen mit Intelligenzminderungen und / oder Mehrfachbehinderungen, die Weltweit viele Sportangebote und Sportveranstaltung organsiert und sich für Inklusion im Sport einsetzt. Die offizielle Internetpräsenz ist www.specialolympics.org. Special Olympics Deutschland (SOD) ist die deutsche Organisation der Special Olympics und stellt sich unter https://specialolympics.de vor.
- Deaflympics: Die Organisation "International Committee of Sports for the Deaf (ICSD)" organisiert die Deaflympics. Das sind internationale Sportwettkämpfe für taube Menschen, im Internet zu finden unter www.deaflympics.com.
- World Transplant Games: Die "World Transplant Games Federation" (https://wtgf.org) organisiert alle zwei Jahre internationale Sportwettkämpfe für Menschen mit Organtransplantationen.
Für Menschen mit psychischen Behinderungen gibt es keine vergleichbaren internationalen Wettkämpfe oder Sportorganisationen.
Inklusiver Sport
Inklusiver Sport kann auch bedeuten, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam trainieren und an sportlichen Wettbewerben teilnehmen. Dabei werden Anpassungen vorgenommen, um den Teilnehmenden eine faire und sichere Teilnahme zu ermöglichen, unabhängig von der jeweiligen Beeinträchtigung. Bei einem inklusiven Triathlon nutzen z.B. rollstuhlfahrende Menschen Handbikes für das Radfahren und Rennrollstühle für das Laufen und sehbehinderte Menschen werden begleitet und unterstützt. Die Vergleichbarkeit der Leistungen erfolgt durch eine Einteilung in verschiedene Leistungsklassen, vergleichbar mit der Einteilung in Altersklassen. Gemeinsamer Sport von Menschen mit und ohne Behinderung bricht die häufige Trennung der Athleten auf und ermöglicht Kontakt und Interaktion.
Praxistipps
- Informationen zum Einstieg in den Parasport finden Sie auf der vom Deutschen Behindertensportverband und vom Nationalen Paralympischen Komitee (DBS) e.V. gemeinsam betriebenen Seite https://parasport.de. Dort können Sie zum Beispiel nach der für Sie passenden Sportart und nach einem geeigneten Verein in Ihrer Nähe suchen.
- Beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft können Sie sich das Klassifizierungssystem der Paralympics in deutscher Sprache herunterladen unter https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Publikationen/sonstige_Publikationen_Ratgeber/Klassifizierung.pdf
- Bei den Special Olympics finden Sie viele Informationen über inklusiven Sport für Menschen mit und ohne geistige Behinderungen unter https://specialolympics.de > Informieren > Informieren Übersicht > Unified Sports®.
- Beim Deutschen Behindertensportverband können Sie sich unter www.dbs-npc.de/inklusion-1066.html näher über inklusiven Sport informieren.
Deutsche Sportverbände für Parasport und inklusiven Sport
Deutscher Behindertensportverband (DBS) e.V.
Tel.: 02234 6000-0
E-Mail: info@dbs-npc.de
www.dbs-npc.de
Deutscher Gehörlosen-Sportverband e.V.
E-Mail: office@dg-sv.de
www.dg-sv.de
Deutscher Rollstuhl-Sportverband (DRS) e.V.
Tel.: 0203 72970092
E-Mail: info@rollstuhlsport.de
www.drs.org
Wer hilft weiter?
- Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) berät Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige zu allen Leistungen zur Teilhabe, also auch zur Kostenübernahme von Sport-Hilfsmitteln und Freizeitassistenz.
- Menschen mit Behinderungen können die Kostenübernahme bei jedem Reha-Träger beantragen. Denn wenn der Antrag beim falschen Träger gestellt wird, muss dieser den Antrag an den richtigen Träger weiterleiten oder die Leistung selbst erbringen, Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit. Besser ist es aber, den Antrag gleich beim zuständigen Reha-Träger (siehe oben unter "Wer übernimmt die Kosten") zu stellen. Meist ist das der Träger der Eingliederungshilfe, seltener einer der folgenden Reha-Träger:
- Unfallversicherungsträger
- Träger der sozialen Entschädigung
- Träger der Kinder- und Jugendhilfe vertreten durch das Jugendamt
Verwandte Links
Reha-Sport und Funktionstraining
Leistung zur sozialen Teilhabe
Nierenerkrankungen > Dialyse > Sport
Rheuma > Bewegung, Sport und Mobilität
Rechtsgrundlagen:
- Träger der Eingliederungshilfe: § 113 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 78 und 84 SGB IX
- Träger der Jugendhilfe: § 35a SGB VIII i.V.m. § 113 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 78 und 84 SGB IX
- Unfallversicherungsträger: § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII i.V.m. §§ 78 und 84 SGB IX
- Träger der sozialen Entschädigung: § 66 Abs. 1 SGB XIV i.V.m. § 113 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 78 und 84 SGB IX